Die Familie Gruber, oder wie wir sie gerne nennen: Das Team „Sunnfolt“, lebt und arbeitet in Kortsch im Vinschgau. Drei Menschen, die unterschiedlicher und herzlicher nicht sein könnten, haben damit begonnen ihre landwirtschaftlichen Flächen Stück für Stück umzugestalten. Hin zu mehr Vielfalt und weg vom immer größer werdenden Qualitätsdruck in der biologischen Apfelproduktion.
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09. September 2022 – Text: Meike Hollnaicher, Fotos: Thomas Schäfer
Die steilen Hänge am „Sunnenberg“ im Vinschgau wurden schon vor einiger Zeit von Terrassen gezähmt und mit Apfelreihen durchzogen. Sie beherrschen das Landschaftsbild im ganzen Tal. An einem dieser steilen Hänge schlängeln sich jedoch Salatpflanzen durch die Apfelbäume. Hier arbeitet die Familie Gruber, oder wie wir sie gerne nennen: Das Team „Sunnfolt“.
Drei Menschen, die unterschiedlicher und herzlicher nicht sein könnten, haben damit begonnen ihre landwirtschaftlichen Flächen Stück für Stück umzugestalten. Hin zu mehr Vielfalt und weg vom immer größer werdenden Qualitätsdruck in der biologischen Apfelproduktion.
Das Team „Sunnfolt“, das sind Renate und Kurt, ihr Sohn Andreas und ein bisschen auch Andreas‘ Bruder, der als Kommunikationsexperte den Namen „Sunnfolt“ – Vielfalt am Sunnenberg – kreiert hat. Seit der Umstellung vom konventionellen Apfelanbau im Jahr 2018, stand „Biohof Gruber“ für unbehandelte und biologische Äpfel, aber jetzt soll alles anders werden.
Renate stammt selbst von einem Bergbauernhof, hat eine Leidenschaft für die gackernden Damen, die in der Obstplantage herumstaksen und ist unverzichtbar für das Team Sunnfolt. Sie kümmert sich unter anderem um die Weiterverarbeitung der Produkte, bringt mit ihrer sonnigen Art aber auch die ganze Familie voran. Es war unter anderem Renate, die die Umstellung des Betriebs auf Bio stark unterstützt hat und auch jetzt zeigt sie keine Scheu vor der erneuten Veränderung. „Ohne sie wären wir verloren“, sagt Kurt mit einem stolzen Lächeln, der sie vor 30 Jahren kennen und lieben gelernt hat.
Aber wo hin mit dem ganzen? Als Vertriebsweg haben die drei die Direktvermarktung gewählt. Nicht der einfachste Weg. Auf dem Land scheinen die meisten, die Wert auf gesunde Lebensmittel legen, einen eigenen Garten zu haben. Auch mit dieser Herausforderung ist das Team „Sunnfolt“ nicht allein. Und dafür müssen Lösungen geschaffen werden. Ob im Gastronomiebereich, in Kindergärten, Mensen oder in Privathaushalten. Wir brauchen einen Wandel und mehr Flexibilität, um mit lokalen Produzenten zusammen zu arbeiten.
Hat man sein Leben lang an die Genossenschaft geliefert ist es oft eine Überwindung genügend Selbstbewusstsein zu gewinnen, um mit seinen Produkten „hausieren“ zu gehen. Doch mit der Zeit lehrt die Direktvermarktung auch das: in sich selbst und in die Qualität der eigenen Produkte zu vertrauen und dafür einzustehen.
Zwei Dinge bringt die Direktvermarktung mit sich: Zuspruch und Motivation, oder Fassungslosigkeit. Oft wird ein fairer Preis als viel zu hoch abgestempelt. Oft werden vielfältige Sorten mit besonderen Farben und Formen, die mit besonderer Leidenschaft gehegt und gepflegt wurden, einfach abgelehnt. Es liegt also nahe, ein bekanntes Sprichwort umzudrehen: „Was der Kunde nicht kennt, frisst er nicht.“
Das Team „Sunnfolt“ bewirtschaftet 1,6 Hektar, aufgeteilt auf 7 unterschiedlich große Flächen. Um zur am weitesten entfernten Wiese zu gelangen, legen sie 9 km Fahrt zurück. Darin sehen sie nicht nur ein logistischen Nachteil, denn die extremen Wetterereignisse sind nicht überall gleich stark und somit ist nicht die ganze Ernte betroffen. Die Flächen sind vielfältig: Kastanienhaine, Obstplantagen und Wiesen, die nun zum Gemüseanbau und Ackerbau genutzt werden sollen. Der Gemüsegarten, der dieses Jahr seine erste Saison feiert, steht schon in voller Pracht. Die sieben Reihen Apfelbäume, die dem Garten gewichen sind, sind jetzt Brennholz und Kompost. Kiwi, Kaki, Mohn, Getreide, Kräuter, Gemüse, Erdäpfel. Das sind die Ideen für die Zukunft.
Renate, Kurt und Andreas sind also auf der Reise hin zu einem klaren Ziel: Weiterhin mehr Biodiversität in ihre Flächen am „Sunnenberg“ bringen und die Direktvermarktung ausbauen. Denn was wirklich zählt, darüber ist sich das Team „Sunnfolt“ einig: „Am Abend niedersitzen und sich das bunte Feld anschauen – das macht einfach Freude.“
Man sieht Kurt und seinen Sohn Andreas oft Hand in Hand arbeiten und umherreisen. Sie teilen dieselbe Vision, obwohl sie aus zwei unterschiedlichen Generationen stammen: eine Seltenheit. Sie haben mit 28 Jahren Altersunterschied dieselbe Landwirtschaftsschule besucht und intensiven Obstbau gelernt. Doch Andreas hatte immer schon den Traum von mehr Vielfalt. Schon als Kind hat er seinen eigenen Teil im Hausgarten für sich beansprucht und ein buntes Chaos gepflanzt und geerntet. Eine Weile hat er auch als Gärtner gearbeitet. „Der Boden ist das wertvollste was wir haben. Das muss jetzt geschützt werden.”, sagt Andreas mit Blick auf die mit Schafswolle gemulchten Apfelbäume, die die starke Trockenheit im Sommer 2022 nur aufgrund des Zurückgreifens auf Methoden der Permakultur überlebt haben.
Kurt hat in seinem Leben einige Veränderungen durchgemacht. Seine tägliche Arbeit wurde aber zunehmend von einem starken Druck begleitet. Und zwar dem Qualitätsdruck im Apfelanbau. Keine Macke, keinen Fleck darf ein Apfel haben, sonst ist er wertlos. Was macht das mit einem Menschen, wenn sein geschmacklich perfektes Produkt von heut‘ auf morgen durch stets extremere Wetterereignisse seinen gesamten Wert verlieren kann? Was ist das für ein Gefühl seinen Körper giftigen Spritzmitteln aussetzen zu müssen? Für viele gehört das noch immer zum Alltag. Für Kurt zur Vergangenheit. Er hat die Impulse seines Sohns für eine weitere Veränderungen angenommen. Und mehr noch: er treibt sie aktiv voran. Rund 10 Gemüsebetriebe in ganz Südtirol verstreut hat er sich gemeinsam mit Andreas im vergangenen Jahr angeschaut, um von anderen zu lernen. Auch bei keiner Farmfluencer-Veranstaltung haben die Sunnfolt Bauern gefehlt. Damit agiert Kurt völlig anders als seine Elterngeneration, die bis heute wenig Verständnis für die biologische Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zeigt. Und damit ist er nicht allein. Diesen Konflikt teilen viele, doch wenige sprechen darüber, denn es ist immer schmerzhaft. Seine Apfelplantage sah immer schon anders aus – ein kleiner Teich und hohes Gras als Lebensraum für Nützlinge. „Es geht ja darum, dass Generationen nach uns noch hier leben können – probieren wir‘s halt!“